Bekämpfung durch den administrativen Ansatz möglich?
Bargeldbasiertes Hawala Banking
Hawala-Banking, ein informelles Finanzsystem ohne Banken, stellt eine wachsende Herausforderung für die Sicherheitsbehörden dar. Insbesondere wird es zur Finanzierung von Kriminalität und Terrorismus genutzt. In einem neuen Ansatz, der sich auf Bargeldfunde stützt, versuchen europäische Behörden, Hawala-Netzwerke aufzudecken. Dieser Artikel beleuchtet das Projekt HAIFINS und dessen Bemühungen zur Bekämpfung dieses illegalen Finanzsystems.
Was ist Hawala Banking? In drei Worten „Bankgeschäfte ohne Bank“. Was ist daran schlimm, wenn Banken Gebühren entgehen? Keine Bank, keine Kontrolle: Die entsprechenden Transfers erfolgen ohne jede Kontrolle, ohne Compliance und ohne Geldwäscheprüfungen.
Hawala erfolgt nicht zwangsläufig in ethnisch geschlossenen Milieus. Allerdings gibt es in den meisten Fällen eine ethnische Verbindung zwischen den Beteiligten. Ein pakistanisch-stämmiger Migrant, der seinen Verwandten in Belutschistan (einer pakistanischen Provinz mit einem unterentwickelten Bankensystem, in der der Staat noch nie viel zu sagen hatte) Geld zukommen lassen möchte, bringt das Geld zu einem ebenfalls pakistanisch stämmigen Juwelier.
Codewort statt Dokumente
Er erhält ein Codewort, welches er über einen Messenger Dienst seinen Verwandten zukommen lässt. Diese machen sich dann auf den Weg zum örtlichen Juwelier ihres Vertrauens, wo sie das Geld abzüglich einer Provision ausgezahlt bekommen. Alles ist einfach und unbürokratisch. Wer – außer Banken und etablierten Zahlungsdienstleistern - sollte also etwas dagegen haben?
Na ja, das Ganze ist in Deutschland und dem Rest der EU illegal. In Deutschland ist das als Verstoß gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) strafbar (§ 63 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. Absatz 3 ZAG). Kriminalpolitisch noch erheblicher ins Gewicht als der schlichte ZAG-Verstoß fällt, dass der ehrbare Migrant, der seine Lieben in der Heimat unterstützen möchte, bei Hawala ein Randphänomen ist.
Finanzierung von OK und Terrorismus
Hawala ist das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, Gelder im Bereich der OK und zur Terrorismusfinanzierung zu bewegen. Keine Bank und kein Geldwäschebeauftragter stellen lästige Fragen nach Herkunft, Absender oder Empfänger und natürlich gibt es auch keinen papertrail für mögliche Finanzermittlungen. Hawala finanziert organisierte Kriminalität und Terrorismus.
Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten, dieses Phänomen zu bekämpfen. Zum einen gibt es den systematischen Ansatz unter Verwendung von TKÜ Maßnahmen und Observationen. Hierum geht es in diesem Artikel nicht. Zum anderen kann versucht werden, am Bargeld anzusetzen, bei größeren Bargeldfunden retrograd auf ein Hawalanetzwerk zu schließen, also find the money and follow the origin of money.
Das Projekt HAIFINS
Unter Federführung des LKA NRW wurde 2024/2025 das HAIFINS (Hawala Informal Financial System) Projekt initiiert. Gefördert von der Europäischen Union wurde in einem ersten Modul die Zusammenarbeit zwischen Strafverfolgungsbehörden in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Spanien im Bereich der Aufdeckung und Verfolgung von Hawala Netzwerken und Schattenbanken verbessert.
In einem weiteren Modul wurde erstmalig in diesem Umfang versucht, Hawala Banking mit Hilfe des administrativen Ansatzes auf die Spur zu kommen. In beiden Modulen fand jeweils ein Hawala Action Day statt, an welchem an verschiedenen Orten im Bundesgebiet und Europa konzertierte Aktionen gegen Hawala stattfanden.
An der ersten Aktion beteiligten sich Zoll und Polizeibehörden aus verschiedenen europäischen Staaten. Es wurden an Grenzen oder in Grenznähe gezielte Bargeldkontrollen durchgeführt.
Der 2. Action Day
Beim 2. Action Day wurden dann - und das hat es in dieser Form bislang noch nicht gegeben - neben Polizeibehörden in NRW, Hessen, Hamburg und Berlin erstmalig auch Geldwäscheaufsichtsbehörden beteiligt. Es handelte sich um die Bundesanstalt für Finanzaufsicht, BaFin, die bundesweit tätige Bankenaufsicht sowie um Aufsichtsbehörden im Nichtfinanzsektor in NRW, Hessen und Berlin. Ziel war die Nutzung des administrativen Ansatzes auch im Bereich der Bekämpfung des Hawala Banking.
Anfänglich waren bei einigen Aufsichtsbehörden argumentative Widerstände zu überwinden. „Was hat die Arbeit einer Geldwäschepräventionsbehörde mit der Verfolgung von Straftaten im Bereich von Schattenbanken zu tun?“ Eigentlich sehr wenig, jedenfalls, wenn Geldwäscheprävention ausschließlich mit angekündigten Prüfungen oder schriftlichen Prüfungen betrieben wird. Bei einer angekündigten Prüfung kann sich der Betroffene vorbereiten und wird mit Sicherheit alle Hinweise auf Hawala Banking beseitigt haben. § 53 Abs. 3 GwG ermöglicht jedoch auch unangekündigte Prüfungen, auch wenn das bislang außer in Berlin und von einigen Aufsichtsbehörden in NRW kaum genutzt wird.
Fündig beim Kombigewerbe
Dennoch, auch bei einer unangekündigten Prüfung durch die Geldwäscheaufsicht (und Kassenprüfer des Finanzamts), bedarf es schon großen Glücks, um auf Hinweise für Hawala zu stoßen. Bargeld in großen Mengen liegt selten einfach so herum und eine verwaltungsrechtliche Kontrolle/Begehung ist keine Durchsuchung.
Im Rahmen des HAIFINS Projektes hatten die Einsatzkräfte dennoch Glück bei einem Zahlungsdienstleister (fast).
Es handelte sich um ein Kombigewerbe: Vorne befand sich ein Supermarkt, der ausschließlich Produkte aus arabischen Ländern und der Türkei führte, also keine Aldi- oder Lidl Filiale; im hinteren Teil befand sich eine Annahmestelle eines Zahlungsagenten (jedenfalls sah es so aus). Betrieben wurde alles von denselben Personen. Das Gewerbe war vorher schon mehreren Behörden aufgefallen, meist aber unterhalb der Strafbarkeitsschwelle.
Die gemeinsame Kontrolle erfolgt durch die Lebensmittelaufsicht, Ordnungsamt, Geldwäscheaufsicht sowie Kassenprüfer des Finanzamts. Die Polizei leistete u.a. mit zwei Zügen einer EHu Vollzugshilfe. Die Überprüfung des Supermarkts durch die Lebensmittelkontrolle blieb beanstandungsfrei. Hierbei nutzten Vertreter der Lebensmittelaufsicht ihre umfassenden Betretungsrechte, um etwa einem möglichen Ungezieferbefall nachzugehen (der im Ergebnis kein Thema war).
Angeblich private Räume
Mit Kollegen, welche im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeit alle Räume einer Örtlichkeit (Wohnungen außen vor) betreten müssen, kann auch das Problem gelöst werden, dass oft bei einer Kontrolle einige Räume zwar vom Grundriss her zur Örtlichkeit gehören, aber angeblich privat sind (und der Schlüssel ist fast nie vor Ort).
Muss im Rahmen einer Kontrolle auf möglichen Ungezieferbefall ein angeblich „privater“ Raum betreten werden, dann heißt es, entweder findet sich der Schlüssel doch an, oder es kommt der Schlüsseldienst. Für den Einsatz einer Ramme dürften in einer Verbundkontrolle kaum ausreichende Gründe vorliegen, es sei denn, hinter der Tür ist Stöhnen zu hören oder die Tür ist deutlich wärmer als die Umgebung und es riecht nach Rauch.
Zahlungsagenten, Wechselstuben und BaFin
Dem Supermarkt angeschlossen war im hinteren Teil ein Raum, der wie eine Wechselstube bzw. eine Filiale eines Zahlungsagenten von Western Union oder RIA oder ähnlicher Unternehmen aussah. Für Zahlungsagenten ist nicht die allgemeine Geldwäscheaufsicht zuständig, sondern die BaFin, die ebenfalls mit einem Amtshilfeersuchen an die Berliner Geldwäscheaufsicht indirekt an der Aktion beteiligt war.
Die BaFin hat sich nach dem Wirecard Skandal 2020 ein neues Selbstbild verordnet. Dazu zählt auch der Ausbau der Kooperation mit den Sicherheitsbehörden und anderen Aufsichtsbehörden. Die Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden des Nichtfinanzsektors ist deutlich enger geworden, wie auch das HAIFINS Projekt gezeigt hat. Gerade bei Zahlungsagenten, die für Western Union, RIA und weitere Anbieter agieren, kann die BaFin, die in Bonn und Frankfurt sitzt, gar nicht so in der Fläche präsent sein wie die lokale Geldwäscheaufsicht.
Trotz aufgefundener rund 70.000 Euro in bar, trotz Listen in arabischer Sprache mit möglichen Einzahlern/Empfängern, trotz eines Schreibens des Zahlungsanbieters, wonach der Vertrag als Zahlungsagent gekündigt war, reichte es am Ende nicht für einen strafrechtlichen Anfangsverdacht auf Hawala Banking.
Zahlstelle oder Einlagen eines Juweliers?
Obwohl die Frage naheliegt, warum jemand eine voll ausgerüstete Zahlstelle bereithält, wenn er keinerlei Verträge mit Zahlungsdienstleistern aufweisen kann? Den hohen Bargeldbetrag konnte der Betreiber damit erklären, dass dies Einlagen eines Juweliers in derselben Straße seien. Dieser deponiere seine Erlöse bei ihm. Da die parallel erfolgte Kassenprüfung bei dem Juwelier in etwa einen dort fehlenden Barbetrag in dieser Höhe erbrachte, musste diese Erklärung akzeptiert werden.
Der Kollege aus einer EHu spricht arabisch
Diese Kontrolle konnte im Übrigen nur durchgeführt werden, weil ein Kollege einer EHu arabisch sprach. Die deutschen Sprachkenntnisse des Betreibers, der wahrscheinlich wirklich nicht gut Deutsch sprach, verringerten sich in den ersten 30 Sekunden der Kontrolle dramatisch und, Überraschung (!), seine Buchhaltungsangestellte war nicht vor Ort und er wusste auch nicht, wann sie wiederkommen würde. Der Betreiber hatte nicht einmal ihre Telefonnummer.
Die Befragung gestaltete sich trotzdem sehr zäh, denn der Kollege von der EHu kam bei vielen Fachbegriffen an seine Grenzen. Kaum verwunderlich, man versuche einmal aus dem Stand Begriffe wie „wirtschaftlich Berechtigter“ oder „politisch exponierte Person“ allein ins Englische zu übersetzen, geschweige denn ins Arabische.
Kennwort? Nicht in Erfahrung zu bringen
Der Raum wurde von einer Kamera gefilmt. Der Aufnahmespeicher war kennwortgesichert. Natürlich konnte das Kennwort nicht in Erfahrung gebracht werden.
Trotz umfangreicher Hinweise auf eine Annahmestelle für HawalaBanking wurde in enger Kooperation zwischen Geldwäscheaufsicht und Polizei entschieden, dass die Hinweise für die Einleitung eines Strafverfahrens mit sich anschließender Durchsuchung wegen Verstoßes gegen das ZAG nicht ausreichten.
Bargeldanalysegerät
Den Ausschlag gab die Tatsache, dass der aufgefundene Bargeldbetrag halbwegs erklärt werden konnte. Die Entscheidung erfolgte auch unter Berücksichtigung der Analyse des Bargelds durch das von der Geldwäscheaufsicht mitgeführte Bargeldanalysegerät. Letztere erbrachte keine spezifischen Erkenntnisse im Hinblick auf eine möglicherweise inkriminierte Herkunft des Geldes. Die Entscheidung, nicht ins Strafverfahren über zu gehen, hätte retrograd betrachtet auch anders hätte ausfallen können (nur ist es später am Schreibtisch bei umfassender Abwägung aller Fakten leichter als vor Ort).
Im Verlauf des Einsatzes gab es noch weitere Hinweise auf andere Hawala Zahlungsagenten, so etwa ein nagelneues Geldzählgerät in einem Laden, dessen teuerster Artikel bei rund 120 Euro lag. In einem weiteren Juweliergeschäft gab der Geschäftsinhaber zu, er habe neben den in der Kasse festgestellten rund 8.000 Euro noch einen weiteren vierstelligen Bargeldbetrag im Laden deponiert, wollte aber nicht sagen wo. Da auch hier die Analyse der in der Kasse aufgefundenen Bargeldbestände keine Auffälligkeiten ergab, wurde ebenfalls auf die Einleitung eines Strafverfahrens verzichtet. Ein in Bereitschaft befindlicher Hundeführer mit Bargeldspürhund wurde daher nicht angefordert.
Fazit des Einsatzes
Außer Spesen nichts gewesen? Nein, obwohl in Berlin zählbare Erfolge ausblieben. Zum einen gab es in mindestens zwei Fällen handfeste Hinweise auf Hawala bzw. vorherige Vermutungen wurden erhärtet. Nicht aus jedem Einsatz erfolgt ein Fall für die PKS. Auch die weitere Aufhellung eines Graufeldes ist ein Erfolg und wo man heute keinen Erfolg hat... Zum anderen konnte die schon vorher gute Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Fachdienststellen und auch zu den Kräften der EHu weiter intensiviert werden.
Und in NRW gab es einen vollen Erfolg: Die Kollegen des dortigen LKA konnten zusammen mit der dortigen Geldwäscheaufsicht einen eindeutigen Fall von Hawala feststellen. Der missing link, der in Berlin fehlte, war dort vorhanden. Es konnte ein Einzahler „erwischt“ werden. Manchmal braucht man eben auch etwas Glück.
Die Berliner Geldwäscheaufsicht wird auch weiterhin für ähnliche Einsätze mit den bewährten Partnern bei Polizei, Ordnungsamt und den Kassenprüfern der Finanzämter zur Verfügung stehen.
Hawala Bekämpfung von unten bleibt dennoch Glücksache und kann die systematische Verfolgung dieser Straftat nicht ersetzen. Hierbei bedarf es wiederum leichterer Möglichkeiten zur TKÜ und das auch bei Messenger Diensten. Das, was Nachrichtendienste können, sollte auch - unter Beachtung rechtstaatlicher Schranken - der Polizei möglich sein.
Den vollständigen Artikel können DPolG-Mitglieder in den Ausgaben unseres Fachmagazins POLIZEISPIEGEL in den Ausgaben Juli/August 2025 und September 2025 nachlesen.